Der Mann auf dem Bild ist Imad (23), Skater, Surfer, Tontechniker. Sein echter Name klingt besser. Aber als Imad seine kleine Geschichte erzählt hat, will er lieber doch nicht erkannt werden.
Imad kommt aus einer schiitischen Familie im Südlibanon – dort wo man schon im Kindergarten lernt, dass die „Zionisten“ in Israel, ein paar Kilometer weiter südlich, Teufel in Menschengestalt sind. Imad hat das noch nie so recht geglaubt, aber man weiß ja nie, was dran ist. Den Krieg 2006 hat er als Teenager immerhin hautnah miterlebt.
Vor zwei Jahren war Imad auf Sri Lanka zum Surfen. Da hat er ein junges Paar kennengelernt. Die beiden waren cool und in den Flitterwochen. Beim Kiffen am Lagerfeuer hat er sie gefragt wo sie herkommen. Als sie sagten, sie seien aus Israel, sei ihm schon die Klappe runtergefallen, sagt Imad. Als er ihnen sagte, er sei aus dem Südlibanon, sei ihnen ebenso die Klappe runtergefallen.
Naja egal: Lagerfeuer, Strand, Surfen, Bier und so weiter. Da kann man Politik auch mal außen vor lassen.
Irgendwann hat er sich den Fuß aufgescheuert und nichts dagegen getan. Die Folge: eine üble Entzündung. Der Fuß schwoll an und pochte. Irgendwann konnte Imad kaum noch gehen.
Da habe ihm der Israeli in seine Hütte geholfen. Sie hätten was geraucht. Dann habe der Mann professionell seinen Fuß versorgt. Er war nämlich Arzt und hatte 2006 als Sanitäter bei der Infanterie am Libanon-Krieg teilgenommen, bei dem 44 Israelis und über 1500 Libanesen ums Leben kamen. Dass er dabei war, hat er ihm erzählt, während er seine Wunde desinfiziert hat. Danach haben sie nicht mehr groß darüber gesprochen.
Heute sagt Imad, in seinem Heimatdorf hielten immer noch die meisten Leute Israel für den Satan. Er widerspricht ihnen nicht weiter. Bei denen könne man eh nichts machen. Viele seien hier so, gibt Imad zu. Viele aber auch schon einen Schritt weiter.
Als ich ihm erzähle, dass meine Großmutter im Dritten Reich als „Achteljüdin“ galt und keinen „Arier-Ausweis“ bekommen hat, sagt sein sunnitischer Kumpel Chasan sofort, ich brauche mir wirklich keine Sorgen zu machen. Das sei absolut ok, wenn ich Jude sei. „Bin ich nicht“, sage ich. „Aber trotzdem, danke.“ „Nein, wirklich“, beteuert Chasan. „Ist total in Ordnung.“
Die Vorurteile im Süden seien „bescheuert“, sagt Imad. Dabei sei man den Israelis so nah: „Wenn ich dort surfen gehe, und die ein paar hundert Meter weiter unten, kann es sogar sein, dass wir auf der selben Welle reiten, Mann.“
Er lässt sich fotografieren und ist damit einverstanden, dass die Geschichte veröffentlicht wird. Dann wird er doch unsicher: Neulich habe mal ein anderer Libanese aus dem Süden eine ähnliche Geschichte über eine nette Begegnung mit Israelis öffentlich erzählt. Jetzt gebe es da unten Leute, die ihn umbringen wollten, wenn er sich noch mal dort blicken lässt.
Darauf hat Imad natürlich keine Lust. Doch noch ist es nicht soweit, dass man sich offen dazu bekennen kann, allen Menschen ohne Vorurteile zu begegnen. Deshalb der falsche Name und das Foto ohne Gesicht.