Kommt der Krieg oder kommt er nicht?

20150204_082419Manche Orte in Beirut erzählen immer noch vom Bürgerkrieg – obwohl der schon ein viertel Jahrhundert vorbei ist: Am Tor zum Christen-Stadtteil Aschrafieh (siehe Foto) war eine zeitlang die Frontlinie. Davor gab es einen Kilometer umkämpftes Niemandsland – auf der ehemaligen Gegenseite sehen die älteren Gebäude ähnlich aus.

Nur ein paar Straßen weiter residiert Achim Vogt, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in der libanesischen Hauptstadt. Er ist sich nicht ganz sicher, wie gefährlich die Lage wirklich ist.

Viele Beobachter befürchten, im kommenden halben Jahr könnte der Syrien-Krieg in den Libanon hinüberschwappen. Beteiligt ist das Land ohnehin: Die schiitische Hisbollah kämpft mit rund 10.000 Mann für Assad. An den Grenzen gehen Kämpfer des sunnitischen Al-Kaida-Ablegers Al-Nusrah ein und aus und beschießen schiitische und christliche Dörfer.

„Eigentlich“, sagt Vogt, „gibt es einen breiten Konsens in der Zivilgesellschaft und den verschiedenen Konfessionen (es sind insgesamt 19), den Syrien-Krieg friedlich zu überstehen“. Auch die alten Anführer, die Dschumblatts, Aouns, Geageas, Nasrallahs, seien entschlossen, es nicht wieder soweit kommen zu lassen, wie zwischen 1975 und 1990. „Wir erleben eine starke Widerstandskraft gegen den Konflikt“, so Vogt.  Aber: „Fünf Prozent gelten als „Spielverderber“, die sich an keine Verträge halten.“

Was können fünf Prozent bewirken? Im Notfall alles, was sie wollen.

Und wirkliche Einigkeit gibt es bei 19 Gruppen auch nicht. Allein die Christen sind gespalten: Die einen unterstützen die schiitische Hisbollah, weil sie gegen den Islamischen Staat (IS) kämpft, die anderen fühlen sich als Christen gerade von ihr bedroht, weil sie eben die „Partei Allahs“ ist.

Der IS hat seinerseits mit dem Libanon viel vor: Er will das Land zu einem Emirat seines Kalifats machen. Emir soll der Hetz-Prediger Sheikh Ahmed al-Assir aus Sidon werden. Der ist vor eineinhalb Jahren untergetaucht, als die Armee seine Basis in Sidon gestürmt hat. Keiner weiß, wo er jetzt ist – vielleicht in Syrien, vielleicht in einem Palästinenserlager.

Jetzt hoffen die meisten, dass er einfach da bleibt, wo immer er ist. Und dass Armee und Hisbollah – die zwei großen Streitkräfte des kleinen Landes – es schaffen, die Grenze gegen IS, Al-Kaida und alle anderen „Spielverderber“ zu sichern.